Euphorische Reaktionen auf eine baldige Lösung im griechischen Schuldenstreit bestimmen das Stimmungsbild an der Börse. Ist diese Begeisterung berechtigt? Kommt es vielleicht doch noch anders als gedacht? Wie wird die Börse bei einem EU Austritt Griechenlands reagieren? Viele spannende Fragen, immer wieder neue Meldungen und Chaos an der Börse beherrschen aktuell das Tagesgeschehen.
Angeschlagenes Griechenland hat den Dax fest im Griff
In normalen Zeiten wird die Kursentwicklung an der Frankfurter Börse von objektiven Konjunktur- und Unternehmensdaten wie Unternehmensgewinnen, der Inflationsrate in der Eurozone, arbeitsmarktpolitischen Daten aus den USA oder etwa dem ifo-Geschäfstklimaindex (siehe cesifo-group.de/de/ifoHome/facts/Survey-Results/Business-Climate.html) bestimmt. Die Zeiten, die die Börse momentan erlebt, sind aber nicht normal. Die Kursentwicklung am Markt ist vielmehr ein Spiegel der Erwartungen an die politischen Entwicklungen der kommenden Tage im Fall des Eurolandes Griechenland.
Hickhack um Fortschritte im griechischen Schuldendrama
Kurz nach dem Abschluss des Referendums, dessen Ausgang die Eurozone mit gespanntem Bangen erwartete, reichte Athen eine Liste mit Reformvorschlägen ein, in der die griechische Regierung unter anderem Steuererhöhungen, eine Justizreform, die stärkere Besteuerung der Reichen und eine Reform ihres komplexen Rentensystems ankündigte. Das fristgerechte Einreichen der gewünschten Reformliste löste bei den Geldgebern zunächst Erleichterung und so etwas wie verhaltenen Optimismus aus. Auch am deutschen Leitindex ließ sich diese Stimmung ausmachen. Die Kurse gerieten in den Aufwind, Verluste der Vortage, die den aus Sicht der Geldgeber enttäuschenden Ausgang des Referendums abbildeten, wurden wettgemacht. Viele Spekulanten witterten große Geschäfte. So wurden in bekannten Forex Foren (wie zum Beispiel im Forex Forum von Traders-only.com) über Spekulationsmöglichkeiten ausführlich diskutiert.
Die Börse verträgt keine Unsicherheit
Mittlerweile ist die zur Wochenmitte noch herrschende Zuversicht jedoch einer deutlichen Ernüchterung gewichen. Die Euroländer sind in der Bewertung der von Athen vorgelegten Reformvorschläge uneins. Die europäische Solidarität bröckelt empfindlich. Einigkeit herrscht derzeit wohl nur darin, dass der für eine Rettung Griechenlands erforderliche Finanzbedarf vorsichtig geschätzt ca. 20 Milliarden Euro höher liegt, als in dem Athener Papier beziffert. Manche Euroländer – neben Deutschland etwa auch die baltischen Staaten – drängen auf eine rasche Verabschiedung von Gesetzen, die den Reformkurs untermauern sollen sowie auf einen strikten Zeitplan der Umsetzung nebst Kontrolle der Einhaltung desselben. Ohne derart signifikante Konzessionen Griechenlands wäre eine Beendigung des Griechenlanddramas aus Sicht dieser Länder wohl in unerreichbare Ferne gerückt. Die Börsenkurse dürften dann einen beträchtlichen Rückgang erfahren. Andere Euroländer wie etwa Frankreich oder Spanien nehmen Griechenland gegenüber eine gemäßigtere Position ein. Für zunehmende Irritation hat jedenfalls der Vorschlag des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble gesorgt, der einen temporären Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone – angedacht ist ein Zeitraum von 5 Jahren – vorsieht. Diese Idee scheint allerdings auf europäischem Parkett wenig konsensfähig, da sie zu einem langsamen Aufweichen der Eurozone mit temporären Ein- und Austrittsmöglichkeiten der Länder führen würde. Deutlich wird hier insgesamt die Unsicherheit auf politischer Ebene, wie eine praktikable und zukunftsfähige Ausgestaltung einer Lösung für Griechenland tatsächlich aussehen kann.
Europa hängt am seidenen Faden
Zu einer weiteren Annäherung der Positionen dienen die inzwischen stattgefundenen Einzelgespräche zwischen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande, EU-Ratspräsident Donald Tusk sowie dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Inwiefern hier einseitige oder auch wechselseitige Zugeständnisse noch möglich sind, bleibt unklar. Und so fehlt vielen Politikern sowohl in Europa als auch in Griechenland die Phantasie, wie eine Beilegung des Schuldenstreits überhaupt zustande kommen und eine tragfähige Lösung aussehen soll, zumal Alexis Tsipras eine etwaige Verständigung noch durch das eigene Parlament bringen müsste. Börsentechnisch ist der momentane Schwebezustand jedenfalls Gift und lässt fallende Kurse erwarten. Sollten sich die Euroländer trotz der extrem skeptischen Vorzeichen dennoch mit Griechenland arrangieren, wäre wohl ein Kursfeuerwerk die logische Konsequenz.
Ausblick auf die Börsenwoche
In den kommenden Tagen bleibt jedenfalls weiterhin kursbestimmend, wie sich die Verhandlungen der Geldgeber mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras weiter entwickeln. Die Verhandlungen gestalten sich als äußerst schwierig, gerade auch vor dem Hintergrund der geostrategischen Lage Griechenlands. So reduziert sich scheinbar alles auf die wohl entscheidende Schlüsselfrage für Griechenland und mithin für den Dax: Gibt es noch genug Vertrauen in Athen? Turbulente Zeiten stehen der Börse jedenfalls bevor.
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